Was tut man eigentlich die ganze Zeit in der weiten Minecraft-Welt? Man erkundet, man sammelt Material – und man baut! Schaffe schaffe Häusle baue. Fast alle Kinder haben inzwischen ihre eigenen vier oder noch ein wenig mehr Wände. Manches ist noch im Entstehen, anderes schon fast fertig gebaut. Bloss ein Kind ist fürs erste mit Auskundschaften viel zu beschäftigt um ans Hausbauen zu denken. Aber auch es hat Pläne, eine Burg soll es dereinst mal werden.
Und was findet sich in so einer eigenen Behausung? Vornehmlich ein Bett und Vorräte. Denn es sammelt sich so einiges an beim Herumstreunen und Abbauen, das kann man unmöglich alles mit sich herumtragen. Vorratskisten tauchen also draussen auf, irgendwo, in der Nähe der Ressourcen. Manche sind explizit als Willkommenskisten gedacht, zum Beispiel mit Werkzeug das man dringend braucht: bitte bedienen! Manche Kisten sind auch von Anfang an im Spiel versteckt, als Belohnung für findige Explorer. Das lädt natürlich zum Stibitzen ein: auf jeden Fall wirft man in solche unbeaufsichtigten Kisten einen Blick. Und falls was darin ist, was man gerade gut brauchen kann…
So kommt das Bedürfnis, seine verschiedenen Kisten mit allem Möglichen an einem sicheren Ort zu wissen. Und es etabliert sich ein Gefühl von Besitztum, obwohl doch mal das vage Ideal im Raum stand, mit Gütern gemeinschaftlich umzugehen? Aber was man mühevoll selber gesammelt hat, womit man vielleicht auch schon Pläne hat, das bunkert man lieber im eigenen Keller, man kann es verstehen. Und zu den Vorräten kommt dann rasch ein eigener Ofen, auch wenn es einen öffentlichen gäbe.
In dieser Funktion muss man das eigene Haus auch als «Safe Space» im Game verstehen, als Schutzraum, wortwörtlich. Was nochmals eine ganz andere emotionale Tiefe erhält, bedenkt man, dass auch Flüchtlingskinder Teil der Open Worlds Community sind. Insofern bringt jedes Kind ein Rucksäckli mit und dessen Inhalte drücken durch in den Gemeinschaftsraum. Manche offensichtlicher, manche etwas versteckter. Was dem aufmerksamen Beobachter manchmal auch Aufschluss darüber geben kann, warum ein Kind jetzt lieber in einem offenen Baumhaus oder lieber etwas mehr behütet in einem Haus mit Dach übernachten will.
Mit dem Schlafen übrigens hat es eine ganz eigene Bewandtnis, aber darum soll es im Detail ein andermal gehen, wenn wir über die Logik der Zeit im Game nachdenken. Jedenfalls: Wenn alle im Bett sind reicht ein Tastendruck, und es ist Morgen. Und man verlässt sein Heim wieder und schliesst die Tür. So ist man sicher, dass kein Hausfriedensbruch durch umherstreunende, vandalisierende Monster entsteht.
Das dumme ist bloss: abschliessen lassen sich die Türen nicht. Monster sind nicht clever genug um den Unterschied zwischen einer geschlossenen und einer abgeschlossenen Tür zu verstehen, aber Mitspieler natürlich schon. Umso mehr wenn es etwas Neues zu erkunden gibt, dann macht eine Tür natürlich neugierig, vielleicht sogar noch mehr wenn sie geschlossen ist. Und schon ist man in dem fremden Haus drin, schon ist die Privatsphäre, der Safe Space, verletzt. Manche planerischen Entscheide tragen den Zwist schon in sich: Wenn man eine Verbindungsbrücke baut, die nur durchs Haus zugänglich ist, dann ist das Durcheinander von öffentlichem und privaten Raum garantiert.
Dabei hat es an den meisten Häusern inzwischen Schilder. Erstens mit dem Namen der Eigentümer, zweitens mit unmissverständlichen Hinweisen. «Eintritt verboten!» steht da zum Beispiel. Was deutlich macht: der Umgang mit Privatem muss diskutiert werden. Wir werden wohl offizielle Austauschmomente etablieren, am Nebentisch – Laptop zu! Um die tatsächlich immer häufigeren Fragen zu kanalisieren: Darf man das? Ist es ok, dieses oder jenes zu tun? Um womöglich weitere schriftlich fixierte Regeln für Jungleland daraus abzuleiten. Dieser Austausch ist vielleicht überhaupt die magische Zutat unseres Minecraft-Experiments. Normalerweise spielt man allein in einer Welt voller NPCs, Tieren, Monstern, sonstigen zwielichtigen Gestalten. Der Umstand, dass die Kinder zusammen in derselben Welt spielen, ändert alles. Das ist, wie es Mario ganz richtig nennt, ein «Gamechanger».